MSC-Pulpo – fischen mit Köpfchen
Eigentlich wissen alle, dass wir Menschen nicht alles aus dem Meer ziehen sollen, was wir ergattern können. Doch noch handeln zu wenige danach. Für Coop bezieht Bell jetzt Oktopus aus MSC-zertifizierten Fängen.
Reuse um Reuse zieht Fischer David Manuel García mithilfe der Seilwinde aus dem Wasser. Aus etwa jeder zweiten holt er einen Oktopus raus. Die kleinen Tintenfische wirft er wieder ins Wasser zurück. Sie sind noch zu jung, diese will und darf er nicht fangen. Die grossen aber, die mit mehr als einem Kilo Gewicht, behält er. Die leere Reuse reicht er Alfredo Alvarez, der sie auf dem Heck stapelt. Das Fischerboot mit dem Namen Ruben David befindet sich vor der Küste Asturiens im Nordwesten Spaniens, beim kleinen Ort Viavélez. Das Aprilwetter ist kühl. Es ist Fangzeit für eine Delikatesse der Region: Oktopus oder Pulpo, wie er in der Küche auch genannt wird.
David, sein Vater José Manuel und Alfredo betreiben eines von derzeit 27 Fischerbooten, die in Asturien Oktopus nach MSC-Standard fangen. Wenn Vater José Manuel erzählt, spürt man seinen Stolz, das MSC-Label zu tragen. «Man muss mit Köpfchen fischen», erklärt er vielsagend. Mit «Köpfchen» meint er, dass die Fischer nicht einfach alles herausziehen, was das Meer hergibt. Die MSC-Fischer halten sich an vorgegebene Fangmengen, legen nicht mehr als die erlaubten 350 Reusen aus, verwenden Reusen, die den Vorschriften von MSC entsprechen und kontrollieren sich gegenseitig. «Das mit der Kontrolle ist überhaupt der schwierigste Teil an der MSC-Zertifizierung», erklärt Sohn David mit einem Schmunzeln: «Die älteren Fischer lassen sich sehr ungern in die Bücher schauen, und sie hassen es, ein Ortungsgerät mitzuführen, anhand dessen man genau kontrollieren kann, wo sie fischen. Aber daran müssen sie sich gewöhnen.»
Inzwischen sind José Manuel, David und Alfredo bei den letzten Reusen angelangt. Der Fang von heute ist für ihre Verhältnisse eher bescheiden. «Etwa 90 Kilogramm», schätzt David. Doch weil es MSC-Pulpo ist, bekommen sie dafür rund 20 Prozent mehr Geld als für konventionellen Oktopus. «Wir haben strengere Vorschriften und fangen trotzdem etwa gleich viel wie früher», erklärt Vater José Manuel, der seit 43 Jahren zur See fährt. «Am Ende aber verdienen wir besser dank MSC.» Das spricht sich rum. «Bei allen Vorbehalten gegen die Kontrollen lassen sich immer mehr Fischer zertifizieren», sagt David. So werden sie mittelfristig auch mehr MSC-Oktopus liefern können. Von Januar bis Juni fangen die MSC-Fischer Asturiens rund 50 Tonnen. «Das ist von der Quantität her eigentlich vernachlässigbar», sagt Concha Lopez, die Export-Managerin des Fischverarbeiters Alfrio im Norden Spaniens, der diese 50 Tonnen verarbeitet. Alfrio produziert pro Jahr 1400 Tonnen Pulpo. «Aber wenn wir von der Qualität und der Philosophie reden, die dahintersteht, ist MSC ein ganz wichtiger Schritt.»
Diese Einschätzung teilt auch Theodor Pulver, der den MSC-Pulpo für Coop und Bell beschafft. Pulver ist Leiter Einkauf Seafood bei Bell und ein wenig stolz darauf, dass Coop damit als einzige Anbieterin in der Schweiz MSC-Pulpo im Sortiment führt. «Die Schweizerinnen und Schweizer sind nicht die grossen Oktopus-Liebhaber», sagt Pulver, «sie holen aber auf.» Vor allem aber seien es die in der Schweiz lebenden Südländer, die diesen Tintenfisch lieben. Und ganz wichtig: «Auch sie setzen vermehrt auf Nachhaltigkeitslabels wie MSC.» Kulinarisch ist der Pulpo eine absolute Delikatesse und wird in Galizien und Asturien teuer gehandelt. Ein Kilogramm kostet im Supermarkt in Spanien zwischen 45 und 50 Euro, mehr als edles Rindfleisch. Der MSC-Pulpo wird ausgenommen und gewaschen und dann als ganzer Tintenfisch verpackt und eingefroren. Das Einfrieren dient dem einfacheren Transport, aber nicht nur: Durch den Gefrierprozess und das folgende Auftauen wird die Struktur des Fleisches aufgebrochen, damit es überhaupt zur zarten Delikatesse wird, als die man Pulpo kennt.